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Die Würde des Menschen ist unantastbar
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“,
heißt es gleich zu Beginn unseres Grundgesetzes, und wir wissen, dass diese
Würde leider immer wieder zertreten wird. Professor Claus Eurich ruft daher
zur Erneuerung dieses Gesetzes auf und empfiehlt -durch seine Initiative
erarbeitet- die Erweiterung: „Die Würde des Lebens ist unantastbar“! Das hat
eine noch größere, den Menschen überstrahlende Tiefe und regt unbedingt zum
Nachdenken an. Der Dalai Lama konkretisierte dazu:
‚Unser Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr, der Planet braucht
dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und
Liebende aller Arten. Es braucht Menschen mit Zivilcourage, bereit, sich
dafür einzusetzen, die Welt lebenswert und menschlich zu gestalten‘.
Es gibt zum Beispiel eine spezielle buddhistische Meditation, mit der
Bezeichnung ‚Liebende Güte‘, die Herzenswärme kultiviert und heilende
Qualität hat. Daraus soll Mitgefühl, Mitfreude und Gelassenheit entstehen,
mit dem Wunsch: Mögen alle Menschen glücklich sein! Wie ist das möglich? Die
kürzlich verstorbene Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang, wurde gefragt,
welches Buch sie noch gern schreiben würde. ‚Nie wieder Krieg‘ war ihre
spontane Antwort und gab gleich die Anfangszeilen des ungeschriebenen Buches
bekannt:
‚Ein Lehrer erzählt seiner Klasse von
Zehnjährigen: ‚Vor Hunderten von Jahren lebten auch schon Menschen auf der
Erde. Und wenn sie sich nicht einigen konnten, brachten sie einander in
Massen um‘. ‚Was?‘ rufen die Kinder entsetzt. ‚Sie brachten einander um?‘ –
‚Meistens ziemlich brutal. Hauptsächlich Männer, aber manchmal auch Frauen
und Kinder.‘ ‚Wehe euch!‘ grunzten ihre Obersten den Obersten ihrer Gegner
zu. ‚Tut, was ich euch sage, sonst gibt’s Krieg!‘ – ‚Was ist das: Krieg?‘
fragt einer der Schüler. ‚Dieses Wort habe ich noch nie gehört!‘ Er bekommt
das Wort Krieg erklärt. Da wird er ganz blass, schüttelt sich und ruft: ‚Was
mussten das für Monster sein!‘
Bei diesem Aufruf möchte uns der Atem stecken bleiben – und es fällt uns mal
wieder wie Schuppen von den Augen – in welcher Welt wir leben! Jeder Krieg
hat seine eigenen Gesetze, mit unvorstellbarer Grausamkeit und Not.
Wie können wir heute – angesichts der vielen kriegerischen
Auseinandersetzungen einen Akt der Solidarität mit den Opfern ausführen?
Rumi, der berühmte persische Dichter, soll bei einer entsprechenden
Situation ausgerufen haben:
‚Wende dich nicht ab. Halte deinen Blick
auf die bandagierte Stelle gerichtet. Dort dringt das Licht in dich ein!‘
Und die Bibel bezieht sich auf die Worte Jesu:
‚Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan!‘
Der bekannte, kürzlich verstorbene Mönch
Thich Nhat Hanh, sagte:
‚Das Wichtigste ist, in dir selbst die Erde weinen zu hören!‘
Ja – und ich glaube, dass wir dann auch nicht mehr die Schreie der Leidenden
überhören können, sondern bei jeder Möglichkeit mithelfen, ein wenig zu
lindern.
Kürzlich las ich in einem Magazin etwas über die Auszeit in einem Kloster:
‚Der Rhythmus im Kloster, die Anforderungen der Gemeinschaft und das
Eintauchen in eine meditative Praxis, haben therapeutische Wirkung.‘
Wir sitzen auch hier gemeinsam in der Stille, welche einen Rhythmus und eine
Rücksichtsname fordert, damit jeder seinen Raum hat für das Eintauchen in
die meditative Praxis. Möge diese, daraus entstehende therapeutische
Wirkung, unseren Alltag beseelen und neue Erkenntnisse bringen – auch für
das Leben der scheinbar Anderen. Die Anderen, das sind diejenigen, die um
neue Identität, Heimat und Menschenwürde ringen – seien es die sozial
Geschwächten, mit oder ohne Migrationshintergrund und ohne die Entwurzelten
aus den akuten Kriegsgebieten.
Verwurzelung ist wohl das wichtigste und am meisten verkannte Bedürfnis der
menschlichen Seele. In diesen unruhigen und gefährlichen Zeiten werden wir
vermehrt entwurzelte Menschen treffen und mehr oder weniger davon berührt
sein. Die mir sehr nahestehende Pionierin der Tiefen-Ökologie, Johanna Macy
-91 Jahre alt- hat eine vielversprechende, fast religiöse Sichtweise auf die
Spezies Mensch und auf die ganze Menschheit, in einfachen Worten gefunden:
‚Wir können trotz allem vertrauen, dass wir hier sind und gehalten werden,
in der Zeit bedrohlicher Gefahren.‘ Gerade erleben wir eine große
Hilfsbereitschaft, die gemeint ist.
Uns allen ist wahrscheinlich das Empfinden bekannt: mein Körper endet nicht
da wo meine Haut ist. In der Chakra-Meditation, dem ‚Liebesweg der Shakti‘,
haben wir unsere Aura und einen größer werdenden Raum gut wahrgenommen, mit
mehreren, guten Möglichkeiten zum erweiterten Bewusstsein, auch zum
Mitmenschen hin.
‚Da erleben wir wirkliche Resonanz, wenn wir durch das Bewusstseinstor vom
Lokalen ins Globale schreiten‘, so der Psychologe Dr. Stefan Ruf in seinem
Buch über die Klima-Psychologie.
Auf einem spirituellen Weg kann jede Aktivität kontemplativ durchdrungen
werden und zu einem neuen Sein führen. Dieses Sein kann nur jeder selbst mit
Leben füllen und darin aufgehen. Beide Aussagen lenken den Blick ins Hier
und Jetzt, so wie das der Zen–Meister Williges Jäger uns stets nahe brachte:
‚Ein spiritueller Weg der nicht in den Alltag führt, ist ein Pseudoweg‘
Ja, schauen wir auf den Alltag, wie wir ihn
und uns selbst bewältigen und treu bleiben können, auch bei unzähligen
Meinungen im undurchsichtigen Weltgeschehen eines globalen Zeitalters.
Gerade heute, die nackte Gewalt vor Augen in einem Europäischen Land!
Allein, ohne Hilfe wären sicher alle verloren. Gut, dass sich Viele an den
Anfang unseres Grundgesetzes erinnern, wo es heißt: ‚Die Würde des Menschen
ist unantastbar‘
Und trotz der grausam verlorenen Heimat, hat diese nicht immer mit einem
Landstrich oder mit Familie zu tun, die verlassen wurde, sondern auch mit
der verlorenen inneren Vertrautheit, die es wieder zurück zu gewinnen gilt.
Hier finden Mystiker und Dichter tröstende und Bewusstseins lenkende Worte,
wie zum Beispiel Rumi:
,,Ich habe die ganze Welt auf der Suche nach Gott durchwandert und ihn
nirgendwo gefunden. Als ich wieder nach Hause kam, sah ich ihn vor der Tür
meines Herzens stehn und er sprach: Hier warte ich auf dich seit Ewigkeiten.
Da bin ich mit ihm ins Haus gegangen.‘‘ Mögen wir alle den Eingang finden!
Denn:
,,Deine Reise führt in deine Heimat. Vergiss nicht: Du bist unterwegs von
der Welt der Erscheinungen hin zur Welt der Wirklichkeit.‘‘
A.K.Ghujduwani
Roswitha Maria Gerwin
„Schweige und höre, lausche deines
Herzens Ohr, suche den Frieden“
Dieses
kleine Lied trägt eine große Aussage in seiner Forderung. Können wir dem
folgen? Meistens nicht. Dann bleibt es beim Suchen. Aber wir kommen
vielleicht während des Singens -wie überhaupt beim Singen- dieser
Aufforderung näher und ahnen den aufsteigenden Frieden in uns selbst.
Sri Aurobindo, der große indische Yogaphilosoph, hat eine Staffelung zum
Thema erstellt, wobei er die Ruhephase an erster Stelle nennt. Danach die
Stille, anschließend den Frieden und erst dann das Schweigen.
Ich möchte hierzu mit meinen Worten etwas aufschlüsseln:
Um Ruhe herzustellen, reicht es manchmal schon, sich auf etwas anderes, als
auf das , was mich unruhig macht, auszurichten. Man kann zum Beispiel eine
Tür vor zuviel Lärm schließen oder einen Waldspaziergang machen. Natürlich
helfen auch Entspannungsübungen jeder Art.
Um Stille zu gewinnen, bedarf es jedoch mehr an Übung. Denn das Abstellen
der vielen Gedanken gelingt nicht auf Knopfdruck. Dazu sollten solche
Übungen bekannt sein, die das vegetative Nervensystem auf Ruhe schalten
lassen.Jeder Yogaübende und Meditierende weiß um die regelmäßige Ausführung,
damit der Gedankenfluss gestillt wird und sich ein inneres Feld der Stille
ausbreitet.
Um nun auf allen Ebenen Frieden zu bekommen, sind mehr als körperliche und
spirituelle Übungen nötig. Durch Ausführung der Stilleübungen hat sich oft
ein neues Weltbild ergeben, welches evtl. in der Praxis noch nicht gelebt
werden konnte. Um jedoch auf allen Ebenen Frieden zu haben, muss der Übende
ein durch und durch friedfertiger Mensch werden. Das bedeutet auch, durch
die eigene Psyche gegangen zu sein und alle „Dämonen“ aufgespürt zu haben,
die keinen größeren Umbruch mehr bewirken. In der Weihnachtszeit erfreuen
mich immer wieder die biblischen Worte, die Engel verkündeten:
„Frieden auf Erden den
Menschen, die guten Willens sind“
Es scheint das Schwerste zu
sein -wenn wir auf den Unfrieden in der Welt blicken- was es zu bewältigen
gilt. Und dieser Unfrieden beginnt in jedem von uns und bleibt, wenn wir ihn
nicht sehen wollen und konkret angehen. Er hat die Tendenz sich
auszubreiten, in Gedanken, Worten und Taten.
Wer oft den Grad der Stille erreicht hat und dabei in die Tiefe gelangte,
wird seltener wie ehemals reagieren, sondern sich neu entdecken und neu
handeln. Denn auch Friedfertigkeit strahlt aus und erreicht die anderen, die
sich einschwingen können, um am Feld des Friedens mitzuwirken. Meistens
vergehen Jahre, bis solche Erkenntnisse gewachsen und umgesetzt worden sind.
Manchmal trifft uns ein Wort, wie beim Friedensgruß im Gottesdienst:
„Friede
sei mit dir“ „Und mit dir“.
Diese Handreichung kann
positiv überraschen, besonders wenn sie echt ist und dann Anlass zu weiteren
entsprechenden Handlungen führt.
Es gibt noch eine andere und ganz besondere Art und Weise, um den Frieden
des Herzens zu erlangen. Es ist das Loslassen von allem, was bisher Geltung
hatte, besonders, wenn der Seelenfriede schon lange gestört wurde. Manchem
kam das Loslassen einem Sterben gleich. Und in gewisser Weise ist es das
auch. Der Mystiker Angelus Silesius schrieb:
„Wer nicht stirbt, eh' er
stirbt, der verdirbt, eh' er stirbt“
Das kann so viel heißen wie:
So lange du um all Deine Güter oder Nichtgüter kreist und dich sorgst, bist
du innerlich nicht frei.
Was kann konkret helfen, um eine Entscheidung zur inneren Zufriedenheit zu
treffen? Die Meister sagen: Schaue dem Strom zu, aber schwimme nicht mehr
mit.
„Schweige und höre, lausche
deines Herzens Ohr...“
Viel Arbeit am Selbst ist
vorausgegangen, ehe es in uns schweigt. Wer einen Schweigekurs
besucht, schweigt nach Vorschrift und auch aus Neugier. Da heißt es: Nicht
sprechen, obwohl sich die Gedanken dabei meistens vermehren. In Gedanken
sprechen wir ja zunächst ununterbrochen weiter. Dennoch sind diese äußeren
Angaben nötig, um mehr und Tieferes zu erfahren, bis es -in uns- von
selbst schweigt.
Auch Geübte, die schon öfter in der Erfahrung des Schweigens standen,
beginnen immer wieder von vorn. Denn das Nervensystem lässt sich nicht
überlisten. Es muss zuerst zur Ruhe gebracht werden, dann in die Stille
eintauchen, um Frieden zu finden, damit ein tiefes, inneres Schweigen
erfolgen kann. Manchmal ist dieses Schweigen nur in Sekunden wahrzunehmen,
manchmal auch in Minuten... Irgendwann erfasst es den Alltag, der dann immer
klarer und einfacher wird, weil der Übende im Augenblick lebt.
Andreas Gryphius schreibt: „...Der Augenblick ist mein, und nehm' ich den in
acht, so ist der mein, der Zeit und Ewigkeit gemacht.“
In der Meditation lauschen wir auf das, was aus dem Inneren unseres Herzens
kommt. Teresa von Avila hat am Ende all' ihrer Zweifel des Wohin, Warum und
Wie gesagt: „Es war ein Gezogenwerden nach innen...“
In der Mystik wird oft davon
gesprochen, die Heimat zu verlassen. Damit ist das Alte und das Übliche
gemeint. Wenn das geschehen ist, schreibt zum Beispiel ein Fridolin Stier
folgendes:
„Dann wirst du vielleicht dem Anderen begegnen, für das du weder Namen noch
Begriffe hast, dem ur- und ingründig Wirklichen und Wirkenden begegnen. „...
Und dann wird dir, vielleicht wird dir dann aus allem und jedem, das um dich
ist, das Unnennbare erscheinen, und du wirst jene Stimme hören, die du noch
nie gehört, sehr nah und gewaltig wirst du sie hören:
ICH BIN DA
!
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