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Der Atem - die große Kraft des Universums

-Roswitha Maria Gerwin-

Es ist schon eine Weile her: Der Osterkurs, in klösterlichen Mauern des Benediktushofes bei Würzburg, endete. Ich war gerade dabei alle sieben Sachen  zusammenzupacken, da ging die Tür nochmal auf und eine ältere Frau fragte ob sie mit mir sprechen könne. Ich erfuhr, dass sie seit Jahren den Benediktushof umkreist und sich nicht traut mal einen Kurs zur Entspannung und Meditation mitzumachen. Vor allem habe sie Angst vor den Yogaübungen, die ihr einmal, etwa vor 20 Jahren sehr zugesetzt hätten, sodass sie ganz atemlos geworden wäre. Jetzt war ich dran -trotz meiner Müdigkeit- sie aufzuklären und ihr die Sorge abzunehmen. Aber wie sollte ich das machen? Etwa im Eilverfahren? Oder an wen könnte ich sie verweisen, bei den vielen Yogarichtungen, die teils amerikanisch und sehr dynamisch geprägt sind. Wohl wissend, dass Yoga in jedem Alter auszuführen ist, wenn situativ und Teilnehmer bezogen unterrichtet wird. Also nahm ich mich zusammen und bot ihr eine kleine Einführung an, wenn ich den Raum aufgeräumt hätte und bat sie noch ein wenig spazieren zu gehen, denn wie schrieb schon der weise Goethe?: 'Grau ist jede Theorie'. Was kann ich ihr zu Beginn sagen, was nicht eh schon viele Bücher füllt. Aber zu dem, was in einem Unterricht geschieht, wenn der Lehrende aus guter Vorbereitung und echter Innerlichkeit 'zelebriert', das ist nicht so einfach zu erklären. Es gibt ja auch begnadete Zusammenkünfte und solche, die nur einen schalen Geschmack hinterlassen. Diese und weitere Gedanken gingen mir durch den Kopf, während die Fragende spazieren gehend wartete. Eine gute Yogastunde ist ein Kunstwerk, ohne gekünstelt zu sein, wobei Körper, Geist und Seele angesprochen werden und eine Einheit bilden. Ausgehend von einem Thema, stets Situation begreifend, in achtsamer Vorbereitung und Hinführung zu dem, was jeweils Thema und Ziel bedeuten, kann über einfühlsame Sprache und entsprechende Stille, etwas anrühren und auch erwecken, was schon immer da war. Aber aus verschiedensten Gründen nicht ins Bewusstsein rücken konnte. Ein Zen-Meister sagte einmal: 'Wie willst du zum Beispiel Tee erklären, wenn du ihn nie geschmeckt hast'. In jeder meiner zahlreichen Ausbildungsgruppen zum Yogalehrer BDY/EYU, überraschte jedes Mal mein vorgegebenes Thema: 'Ein starker Rücken ermöglicht mir ein weites Herz!' Es liegt auf der Hand, dass zunächst Rücken stärkende Übungen angeleitet werden sollten, die spürbar den Alltag erleichtern und den Übenden wieder ohne Schmerzen aufrechter gehen lassen. Aber was hat das mit einem weiten Herzen zu tun? Und will das der Übende denn überhaupt? Meistens war es so, wenn zwischen der 5. und 10. Yogastunde etwas von selbst geschah, dass es keiner Erklärung mehr bedurfte, weil die ERFAHRUNG für sich selbst sprach. Es klopfte an der Tür, meine Gedanken wurden unterbrochen und die Dame trat ein. Um ihr die Scheu zu nehmen, sagte ich ihr, dass wir jetzt nichts erreichen müssen, sondern uns nur erlauben Spannungen loszulassen, dem Atem zu folgen und Kraft aufbauen. Sie war bereit und setzte sich auf einen hohen Hocker. Ich bat sie ihre Hände auf die Bauchdecke zu legen, die Augen für eine Minute zu schließen und ihrem Atem zu folgen um ihn als Quelle des Lebens wahrzunehmen. Nun gab ich ihr folgende Hinweise:

  • Nimm bitte einen aufrechten Sitz ein und spüre deine Sitzbeinhöcker bewusst auf der Sitzunterlage.

  • Lass deine Fußsohlen, gut begründet am Boden. *Lege jetzt die Handflächen rechts und links nach hinten neben das Kreuzbein.

  • Nimm wahr wie sich dein Brustkorb dabei weiten kann, wenn du die Schultern ein wenig zurücknimmst.

  • Spüre die Aufrichtung deines Körpers bei jedem Einatemzug und gib diesen Aufrichtekräften noch mehr Atem-Raum.

  • Beim Ausatmen lenke die Aufmerksamkeit zu den aufgelegten Händen im Kreuzbereich. Nach einigen Atemzügen stell dir vor, dass du über deine Hände -bei jedem Ausatmen- Energie und Kraft ins Kreuz sendest.

  • Lege dann deine Hände entspannend auf die Beine und spüre dem Energiestrom nach.

  • Nun hebe dreimal im Wechsel von Ein- und Ausatmen die Arme und führe sie segnend im Ausatmen mit einem Zischlaut seitlich zurück. Beim Einatmen öffne dir jedes Mal den Raum weit über dir.

  • Dann lege die Hände entspannt in den Schoß zurück und lausche auf die Stille zwischen deinen Atemzügen...

  • Jetzt lege die Hände überkreuzt inmitten der Brust auf dein Herzzentrum und spüre auch hier die leise Atemwelle. Wenn du magst, kannst du dann sehr langsam, bei geschlossenen Augen, deine Arme achtsam öffnen, als Zeichen einer Herz öffnenden Gebärde und verweile etwa 5 Atemzüge in diesem Geschehen des Sichöffnens.

  • Vielleicht fällt dir im Anschluss eine Yoga-Haltung ein, die du jetzt, ohne Anleitung, ausführen möchtest... (Sie stand auf und wählte eine Rückwärtsbeuge, mit erhobenen Armen).

  • Lege nun die Hände entweder auf den Leib oder in den Schoß und lausche zuerst auf deinen Atem - und dann auf die folgende, kurze Geschichte:

„Ein Märchen erzählt von der großen Kraft des Weltalls und von den Göttern, die sie verstecken wollen, damit die Menschen sie nicht finden und zerstören können. Ein Gott will diese Kraft auf den höchsten Berggipfel verstecken, ein anderer in die Tiefe des Meeres, oder ein weiterer in die Mitte der Erde versenken. Aber sie erkannten alle schnell, dass die Menschen sie finden werden und zu unlauteren Zwecken missbrauchen. Schließlich sagte der Weiseste unter ihnen: 'Lasst uns die große Kraft des Weltalls im Menschen selbst verstecken. Er wird niemals daran denken, sie dort zu suchen. Nach diesem alten Märchen versteckten sie tatsächlich die Kraft des Universums im Menschen selbst, und immer noch ist sie dort. Wenige Menschen sind sich jemals darüber klar geworden, dass die große Kraft des Universums, die Kraft zu töten oder zu heilen, die Kraft des Hasses oder der Liebe in ihnen selbst liegt“!Danach bat ich die Dame ihre Augen zu öffnen, um sie mit guten Wünschen zu verabschieden. Sie verabschiedete sich auch liebevoll lächelnd von mir und ging ihres Weges.
Ich legte mich für einige Minuten auf die Yogamatte und ließ das Oster-Seminar nochmal still vor meinem geistigen Auge vorbei fließen. Die Worte meines Lehrers, des Benediktiners Willigis Jäger, kamen hinzu: „Stille eint und heilt“